Auf dem Nord-Ostsee-Kanal hat sich am Morgen des 14.4. in dichtem Nebel ein schwerer Schiffsunfall ereignet. Um 7.35 Uhr rammte in Höhe Albersdorf bei der Grünentaler Hochbrücke das unter britischer Flagge laufende Containerschiff "OOCL Finnland", 11.662 BRZ (IMO-Nr.: 9354351), auf der Fahrt von Hamburg nach Gdingen den entgegenkommenden russischen Frachter "Tyumen-2", 3.086 gt (IMO-Nr.: 8727848), der mit einer Ladung Holz von Riga nach Hull unterwegs war. Zum Zeitpunkt des Unglücks herrschten Sichtweiten um 20 Meter. In einer Südkurve nahe der Grünentaler Hochbrücke bei der Ortschaft Beldorf geschah es: Der eisverstärkte Bug der "OOCL Finnland" krachte in die backbordseitigen Aufbauten des mit 13 Mann besetzten Russen und beschädigte sie, an ihnen entlang schrammend, schwer. Schlimmer noch: Das komplette Ruderhaus wurde dabei vom Unterbau abgerissen und landete teils im 11 Meter tiefen Kanalwasser, teils auf dem Vorschiff des Containerfrachters. Der aus Burg/Dithmarschen stammende Lotse, Mitglied der Lotsen-Brüderschaft NOK I, sowie der Kieler Kanalsteurer wurden dabei tödlich verletzt. Der Lotse wurde auf das Deck der oocl Finnland herübergerissen und auf dessen Vorschiff tot in den Trümmern aufgefunden. Er hatte auch am 28.11. auf der Brücke des unter St. Vincent-Grenadines-Flagge registrierten Frachters "Malaga", 2.196 BRZ (IMO-Nr.: 7514440), gestanden, als dessen Aufbauten unter ähnlichen Begleitumständen in Kiel von dem amerikanischen Frachter "National Glory", 11.652 BRZ (IMO-Nr.: 8302246), demoliert wurden. Dessen Ruderhaus hatte sich aber seinerzeit als stabil genug erwiesen, dem Aufprall standzuhalten und das Brückenpersonal zu schützen. Das war auf der "Tyumen-2" aber nicht der Fall. Auch der Kanalsteurer hatte keine Chance - er stürzte auf deren Hauptdeck herab und erlitt dabei tödliche Verletzungen. Der Kapitän und der 1. Offizier, die sich ebenfalls auf der Brücke befunden hatten, wurden schwer, ein weiteres russisches Besatzungsmitglied leicht verletzt. Der Maschinist begab sich wegen Knöchelschmerzen erst später in die Klinik. Einer der beiden Schiffsoffiziere wurde gleichfalls unter Trümmern an Deck begraben entdeckt. Die Verletzten wurden mit der eilends herbeigerufenen Kanalfähre "Swinemünde" (MMSI-Nr.: 211445220) von Bord geholt und ins Kreiskrankenhaus in Heide eingeliefert, wo einer von ihnen noch zwischen Leben und Tod schwebte. An Bord der Swinemünde trafen auch die ersten Rettungskräfte der Feuerwehr Albersdorf vor Ort ein, nachdem 10 Regionalleitstellen Großalarm ausgelöst hatten. Ihnen folgten die Feuerwehren Brunsbüttel, Rendsburg und Kiel, die ebenfalls auf dem Wasserweg die Unglücksstelle erreichten. Binnen kurzem waren 100 Helfer zusammengezogen worden, und sie brachten die akute Lage binnen einer Stunde unter Kontrolle. Gegen neun Uhr übernahm dann das Havariekommando Cuxhaven die Leitung des Geschehens. Da sämtliche Steuerstände und Navigationseinrichtungen der "Tyumen-2" bei dem Zusammenstoß zerstört worden waren und teilweise an ihren Kabeln über die Vorkante der Aufbauten herab hingen, übernahm ein Kapitän des Wasser- und Schifffahrtsamtes Brunsbüttel mit einem Handfunkgerät die Führung des Havaristen, der quergeschlagen und am Südufer des Kanals auf Grund gelaufen war. Er wurde von dem Schlepper "Parat", 263 BRZ (IMO-Nr.: 8128212), aus der Böschung gezogen und zunächst in die Weiche Fischerhütte am Nordufer verholt. Später wurde das Wrack zur weiteren Untersuchung nach Rendsburg geschleppt. Die nur leicht beschädigte "OOCL Finnland" lief mit eigener Kraft erst die sieben Kilometer entfernte Weiche Oldenbüttel an und verholte im Laufe des Vormittags ebenfalls nach Rendsburg, wo sie gegen 12.40 Uhr festmachte. Sie hatte äußerlich lediglich Schrammen und Beulen am Backbordbug davon getragen. Um 19.30 Uhr trat sie die Weiterreise nach Polen an. Doch in Rendsburg galt es auch, ihre beiden Kanalsteurer psychologisch zu betreuen. In Brunsbüttel und auf den Kanalsschleusen gingen derweil die Flaggen auf Halbmast. Der Kanal blieb während der Vormittagsstunden komplett gesperrt; vor den Schleusen Brunsbüttel und Kiel staute sich der Verkehr. Zu allem Überfluss gerieten bei dem Versuch, nicht in die Unfallstelle hineinzulaufen, noch zwei weitere Schiffe auf Grund. Erst kam der unter Gibraltar-Flagge laufende Tanker "Eships Bainunah", 5.039 BRZ (IMO-Nr.: 9293325), nahe Grünenthal am Nordufer des Kanals fest. Das Schiff kam aus eigener Kraft wieder frei und konnte seine Reise von Rotterdam nach Kaliningrad wenig später fortsetzen. Als viertes Schiff havarierte auf der Fahrt von Brofjorden nach Rotterdam der unter Malta-Flagge laufende Tanker "Ruth Theresa", 5.713 BRZ (IMO-Nr.: 9383663). Er wurde nahe Breiholz in die Nordböschung gesetzt. Er wurde von dem Kieler Schlepper "Kitzeberg", 201 BRZ (IMO-Nr.: 9041150) wieder flottgemacht und durfte nach Brunsbüttel weiterfahren, wo er untersucht und kurz vor Mitternacht wieder freigegeben wurde. Um die im Kanal versunkenen, den Schiffsverkehr gefährdenden Trümmerteile des Ruderhauses zu orten, wurde das 18 Meter lange Peilschiff "Orka" (MMSI-Nr.: 211158050) aus Rendsburg angefordert. Taucher fanden die Brücke stark deformiert auf der Kanalsohle liegend vor. Unklar war am 15.4. noch, wann der Steuerstand geborgen würde. Sollten die Schiffseigner die Bergung nicht veranlassen, müsste das Wasser- und Schifffahrtsamt dies übernehmen. Die Trümmer des Ruderhauses lagen unweit der Unfallstelle an der Böschung unter Wasser. Schiffe konnten den Kanal deshalb in dieser Höhe nur einseitig befahren. Für die Bergung wurde schweres Gerät wie ein Schwimmkran benötigt.
Vor Ort im Einsatz waren auch die "Brandgans" des Wasser- und Schifffahrtsamtes, der Schlepper "Bugsier 14", 190 BRZ (IMO-Nr.: 8007200), die Schwansen der Wasserschutzpolizei sowie das Mehrzweckschiff "Neuwerk", 3.422 BRZ (IMO-Nr.: 9143984), das wegen der Sorge um auslaufende Kraftstoffe angefordert wurde. Tatsächlich kam es jedoch zu keinen nennenswerten Gewässerverschmutzungen. Der Kanal selbst konnte um 12.30 Uhr halbseitig wieder für den Verkehr freigegeben werden. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen in Hamburg setzte ein Team von vier Ermittlern zur Untersuchung der Kollision in Marsch. Es setzte sich aus drei Nautikern und einer Expertin für den Schiffsdatenschreiber, der u.a. die Geschwindigkeit, Sensordaten und Gespräche aufzeichnete, zusammen.
Beschädigter Frachter "TYUMEN-2" im NOK Weiche Fischerhütte am 14.04.11. Die Kommandobrücke ist komplett zerstört